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Nanine Linning

Silver

Nanine Linning   Silver

source: swrde
Tanz wird am Theater Heidelberg groß geschrieben. Neben der Tanzbiennale und dem choreographischen Zentrum Heidelberg macht das Haus vorallem mit den Werken der Tanzchefin Nanine Linning auf sich aufmerksam. Mehrfach für den Deutschen Theaterpreis “Der Faust” nominiert und mit anderen Auszeichnungen, wie dem Schweizer Tanzpreis ausgezeichnet, gehört die Kompanie mittlerweile zu den interessantesten im Südwesten. Linnings neues Stück “Silver” hatte am Wochenende Premiere.

“Der Mensch ist machbar” – auf der Grundlage dieser These breitet Nanine Linning in ihrer neuen wie immer ausgesprochen bildhaften Choreografie “Silver” Visionen über den Menschen der Zukunft aus. Ein enges Gedankenkonstrukt. Zu Beginn versucht sich ein Tänzer aus einem riesigen herabhängenden Fischernetz zu befreien.
Er ist gefangen in den unausweichlichen Vernetzungen des Lebens in der Zukunft, das in alle Bereiche Einfluss nimmt, nicht nur in die digitalen Verstrickungen, sondern auch in Aussehen, Charakter, Gangart oder Körperbau des Menschen.
Leitfiguren dieses Science Fiction Tanzstücks sind merkwürdige geschlechtslose Wesen in silbern glänzenden Anzügen und uniformen Gesichtsmasken mit blonden Haarschöpfen, die sich roboterartig und völlig emotionslos über die Bühne bewegen. An drei schwarzen Kisten hängen scheinbar leblose Körper, denen die Silberlinge nach und nach ebenfalls Einheitsgesichter überstülpen. Was Kopie oder Original ist, ist nicht mehr erkennbar. Offenbar braucht die Crew Verstärkung für ihr Vorhaben: Die Kreation neuer Wesen. Material dafür ist der Mensch.
In Linnings teilweise bis dahin etwas langatmiger Versuchsaufstellung über die Evolution der Zukunft – zum teilweise fast schon lähmenden Musikteppich von Michiel Jansen – kommt in den einnehmenderen Passagen ein wunderschön konzipiertes fließendes Duo geradezu befreiend daher. Geschmeidig und voller leidenschaftlicher Gefühle, die eigentlich in der zukünftigen Welt verboten sind.
Tänzerisch emotionale und körperbetonte Ausbrüche, wie sie sich Emma Vätimäki, gerade aus einer ekelhaften schleimigen Masse befreit, erlaubt, werden von den Silberlingen geahndet. Das beindruckende Solo der zierlichen Tänzerin, die durch den Schleim zu einer Art Riesenspinne verwandelt werden sollte – jedenfalls lassen das ihre Bewegungen vermuten – ist dabei einer der wenigen tänzerischen Höhepunkte in “Silver”. Nanine Linning verliert sich zu sehr, in dem sie einzelne Kreaturen erfindet.
Wir sehen mutierte Muskelprotze mit Blasen und Geschwüren über die Bühne wabern. Grelle Lichtstrahlen setzen ein sehr witzig wuselndes Zottelgeschöpf in Szene, eine Art Yeti aus Lametta. Und eben leuchtend. Das alles ist möglich in Linnings Visionen, in denen die digitale Revolution längst alles überrollt hat, in der “Echtmenschliches” eine Rarität ist – und daher in “Silver” am Ende auch in riesigen Plexiglaskisten konserviert und zur Schau gestellt wird.
Leider überwiegen im Gegensatz zu Linnings anderen Arbeiten die allzu starren Elemente. Die wenigen hervorstechenden Soli und Duos nehmen viel zu wenig Raum ein. Die Kostüme dominieren zu sehr den Gesamteindruck. Auch die Gruppenszenen sind nicht ansprechend genug, es fehlt vielfach an Dynamik. Insgesamt ist “Silver” aber doch ein tiefgründiges Stück mit guten Ideen, bei dem sich Nanine Linning als eine der fantasievollsten zeitgenössischen Choreografinnen und mit einem anspruchsvollen Denkansatz beweist.
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source: naninelinningnl
Nothing has changed as radically in the last few decades as the technology we surround ourselves with on a daily basis. Modern means of communication let the world shrink to a pocket size Global Village. Medical technology promises life beyond its natural limits. Robotics, cybernetics and developments in the field of artificial intelligence put the equally fascinating as disquieting idea of artificial life within our grasp. Nanine Linning’s new production SILVER addresses the intimate – and increasingly intrusive – relationship between the human and the technological, showing the beauty of its aesthetics, but also questioning its promise of ever increasing progress and self-improvement.

Together with her company of 12 dancers, Linning maps out a dystopian world where the boundaries between men and machine become blurry. Mechanically moving dancers populate the stage, as are dancing machines and strange hybrid creatures that defy categorization. The performance is organized as a stylized succession of evolutionary experiments conjuring up the idea of a transhumanist frenzy that asserts the mastery of man over nature. Her signature style – abstract yet always accessible – Linning combines for SILVER with influences from the world of ‘popping’, creating a distinctive movement language between visual exuberance and mechanical abstraction.

As before for SYNTHETIC TWIN, ZERO and ENDLESS, Linning again teams up with a designer of international stature for stage design and costumes – this time extraordinary artist Bart Hess. Hess’ work encompasses installations and video art, performance pieces and futuristic explorations into the tactility of fashion and textile design. His list of collaborators includes prominent figures such as fashion designer Iris van Herpen, shock rocker Marilyn Manson and pop icon Lady Gaga.

In the futuristic stage space of Hess, SILVER becomes a multisensory experience, making the audience waver between breathless fascination and mild horror. This choreographic investigation into the possible near future is accentuated by new music from Dutch composer – and longtime collaborator – Michiel Jansen.
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source: naninelinningnl

Nanine Linning, 1977 in Amsterdam geboren, gilt gegenwärtig als eine der erfolgreichsten und vielversprechendsten Choreografen der Niederlande. Gerne verlässt sie in ihren multidisziplinären Arbeiten ausgetretene theatrale Pfade und lässt Tanz nahtlos in Design, Video, Musik und Bildende Kunst übergehen. Ihre extrem physischen Choreografien rekurrieren auf grundsätzliche menschliche Instinkte, Begierden und Emotionen. Mit ihren Tänzern und kollaborierenden Künstlern lenkt sie den Fokus auf die »condition humaine«, lässt die menschlichen Überlebensstrategien und Interaktionen auf dynamische Weise durch ungewöhnliche Präsentationsformen Gestalt werden. Die Wahl bzw. Schaffung besonderer Örtlichkeiten und theatraler Events im Umfeld ihrer Bühnenwerke setzen diese in einen weiteren, bedeutungsvollen Kontext.

Linning schloss ihr Studium an der Rotterdamer Tanzakademie 1998 als eine der ersten Choreographie-Studierenden ab. Während ihrer Ausbildung assistierte sie William Forsythe und Dana Caspersen bei deren Tanzfilm »From A Classical Position«.

Im Jahr 2000 war sie für den holländischen Kulturpreis nominiert. Zu ihren zahlreichen Preisen gehören der Perspektiv-Preis 2002 und der Philip-Morris-Kunstpreis für ihr Gesamtwerk 2003. Für Bacon erhielt sie 2006 den Golden Swan für die beste Tanzproduktion der Niederlande. Der Fernsehsender NPS bezeichnete sie 2007 als »Diva des Tanzes«, das Magazin Quote 2008 als »Business Babe des Jahres 2008« und das Magazin Viva wählte sie im selben Jahr unter die 400 erfolgreichsten Frauen der Niederlande. 2010 erhielt sie den Theaterkijk-Preis für Endless Song of Silence sowie den De Mus-Preis für Dolby. Voice Over wurde 2012 für den größten deutschen Theaterpreis Der FAUST nominiert.

Von 2001 bis 2006 war Nanine Linning Hauschoreografin des Scapino Balletts, einer großen zeitgenössischen Kompanie, wo sie 12 Choreografien für das große Ensemble unter Einbezug verschiedener Komponisten, Streichquartette, DJ’s, Animationen und Modedesigner entwarf. Im März 2006 verließ sie Scapino, um sich auf ihre eigene Amsterdamer Kompanie NANINELINNING.NL zu konzentrieren und ihr Betätigungsfeld um Tanzopern, Musiktheater und Film zu erweitern.

Mit ihrer eigenen Kompanie kreierte Linning vier erfolgreiche Produktionen: Bacon (5 Tänzer, inspiriert durch den Maler Francis Bacon), Cry Love (5 Tänzer in einem Cross-Over von Tanz und Video-Installation), Dolby (11 Tänzer in einer Mischung aus Tanz und Rockkonzert) sowie Endless Song of Silence (ein Duett, in dem sie selbst auf einem Laufband tanzte). Sie entwarf außergewöhnliche Events wie das Cry Love Dinner (gemeinsam mit dem Chefkoch Remco Vellinga und 20 Tänzern), Endless Song of Silence Extended (Kunstinstallation mit 80 Tänzern) oder ihr Rechercheprojekt Cortex, das zusammen mit neun Neurowissenschaftlern, -biologen und -psychologen die emotionalen Stadien des Publikums auslotete.

Seit August 2009 war sie neben der Leitung ihrer Kompanie in Amsterdam auch künstlerische Leiterin und Chefchoreografin der Dance Company Theater Osnabrück. Ihre erste Spielzeit 2009|10 in Osnabrück begann ausgesprochen erfolgreich mit dem Tanzstück Synthetic Twin, mit dem die Kompanie mit 14 Gastspielen in den Niederlanden das holländische Publikum gewann. In der Spielzeit 2010|11 gab Nanine Linning ihr Operndebüt mit Puccinis Madama Butterfly, das sowohl Presse als auch Publikum begeisterte. Zusammen mit dem Künstlerduo Les Deux Garçons kreierte Nanine Linning im selben Jahr mit Requiem eine monumentale Tanzvorstellung mit über 90 Akteuren wie Tänzern, Orchester, Chor und Gesangssolisten auf der Basis von Faurés Requiem und interpretierte dieses Repertoirestück neu. Voice Over mit der Musik von Michiel Jansen, für das Nanine Linning erstmals die Kostüme selbst entwarf, wurde wie Requiem in Osnabrück und später in Heidelberg gespielt und tourte ebenfalls durch alle großen Städte der Niederlande.

Im Sommer 2011 präsentierte Linning gemeinsam mit der jungen, international gefragten Modedesignerin Iris van Herpen in einer Ausstellung im Centraal Museum Utrecht die Kostüme von Synthetic Twin und Madama Butterfly.

2012 drehte ihre Kompanie einen TV-Werbespot für die große niederländische Edelkaufhaus-Kette De Bijenkorf, der einen Silber- und einen Bronzepreis der EPICA – International Advertizing Awards gewann.

Seit der Spielzeit 2012|13 setzt Nanine Linning ihre Arbeit als Künstlerische Leiterin und Chefchoreografin der neuen Dance Company Nanine Linning/Theater Heidelberg als fester Tanzkompanie in Heidelberg fort. Ihre erste Heidelberger Produktion ZERO kam am 19. Januar 2013 zur Uraufführung und wurde mit außergewöhnlichem Lob seitens des Publikums und der Presse bedacht.

Im März 2012 übernahm Linning den Vorstandsvorsitz der TanzSzene Baden-Württemberg. Im selben Jahr war sie innerhalb der Kooperation des Theaters und Orchesters Heidelberg mit dem Heidelberger UnterwegsTheater an der Gründung der künftigen Tanzbiennale Heidelberg beteiligt, deren künstlerischem Leitungsteam sie angehört. Ferner ist sie neben Jai Gonzalez künstlerische Co-Direktorin des Choreografischen Centrums Heidelberg.

In der Spielzeit 2013|14 wird Nanine Linning mit der Premiere von ENDLESS am 6. Dezember nach Voice Over und ZERO ihre Trilogie zu menschlichen Seinsweisen und –welten vollenden. Im Juni 2014 kommt mit Philip Glass‘ Echnaton eine »Tanzoper« mit Tänzern, Chor, Solisten und Orchester in ihrer Regie und Choreografie zur Premiere und deutschen Zweitaufführung.